Der wunderbare Massenselbstmord

nach Arto Paasilinna

Koproduktion Theater 7schuh Görlitz und Theater Blaues Haus Krefeld

Figurentheater für Erwachsene

Die Lust am finalen Exitus

Finnland. Mitsommernacht. Da wird gefeiert.

Doch plötzlich tauchen einzelne Personen auf, die auf den Trümmern ihres Lebens stehen und Selbstmord als einzigen Ausweg sehen. Zufällig treffen sie einander: eine Abfolge absurder Situationen nimmt ihren Lauf. Schließlich sitzen mehrere Finnen in einem Reisebus, um am Nordkap über die Klippe zu segeln.

Doch schon der gemeinsame Weg verurteilt das Projekt Massenselbstmord zum Scheitern: Ihre Vereinzelung beginnt zu bröckeln und ihr Blick sich zu weiten. Eine skurrile Reise durch Europa beginnt – ein Tanz auf dem Grat zwischen Leben und Tod.

Eine Tragikkomödie die mit skurrilem Humor und emotionalem Tiefgang berührt.

Schauspiel – Handpuppenspiel – Miniaturprojektionen

Tradition trifft Moderne.

Regie: Friederike Krahl
Konzept und Spiel: Anne Swoboda
Figurenbau und Spiel: Stella Jabben
Bühne: Ewald Otto
Musik: Peter Dirkmann
Kostüme: Tsvetelina Marinova

Autor

Arto Paasilinna ist einer der populärsten Schriftsteller Finnlands. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet. Er gilt als „Meister des skurrilen Humors“.

In direkter Sprache und durch unverblümt-kräftigen, auch schwarzen Humor blickt er dennoch liebevoll auf seine Landsleute und ihre Eigenarten. Er rührt dabei sowohl den Intellekt, als auch die Seele seiner Leser an – nicht zu vergessen deren Zwerchfell.

Ein finnischer Bestseller als Figurentheateruraufführung.

Mit freundlicher Genehmigung des Bastei Lübbe Verlags.

Trailer:

Bühne:

  • Bühnenfläche Mindestmaße 4m breit – 3m tief, Höhe mind. 2,7m
  • 2 Stromanschlüsse in Bühnennähe
  • Abstand zur ersten Zuschauerreihe ab 2m von der Bühnenkante aus
  • schwarzer Hintergrund, schwarze Seitenabhängung, kein Vorhang

Zuschauer:

  • möglichst ansteigende Sitzreihen
  • je nach Sitzordnung 80-120 Zuschauer

Raum:

  • verdunkelter Raum (wird vom Veranstalter verdunkelt)
  • keine Lärmbelästigung

Technik:

  • Bühnenbeleuchtung und Tontechnik kann mitgebracht werden wenn am Haus nicht vorhanden
  • Hintergrund und Seitenabhängung kann mitgebracht werden wenn am Haus nicht vorhanden

Garderobe wird gestellt

Aufbau:

  • 2,5 Stunden

Einlass:

  • 10 Min. vor Vorstellungsbeginn

Stückdauer:

  • 2 h 10 min inklusive Pause

Abbau:

  • 2 Stunden

Figurentheatertage in Dörenthe: „Der wunderbare Massenselbstmord“

Gemeinsam von der Klippe stürzen

(IVZ 05.06.2018, von Reinhard Bamming)

DÖRENTHE. „Der wunderbare Massenselbstmord“ – schon der Titel lässt aufhorchen im Kulturspeicher Dörenthe. Selbstmord, sogar ein Massenselbstmord soll wunderbar sein? Da geschieht Verrücktes, ja Absurdes. Oder? Man kommt ins Grübeln, als die beiden Puppenspielerinnen eigentlich Unspielbares auf die Bühne bringen. Stella leben aus Krefeld und Anne Swoboda aus Görlitz – das „Theater blaues Haus“ – haben sich schon vor Jahren anstecken lassen vom skurrilen schwarzem Humor des Finnen Arto Paasilinna. Beschrieben wird Alltägliches – dass nämlich das Leben keine Perspektive mehr bietet, weil…? Es gibt Gründe genug – vom prügelnden Ehemann bis zum vierten Konkurs. Was bleibt, ist Alkohol, der Tanz, vielleicht noch einmal die Sauna und dann Schluss. Alle wollen über die letzte Klippe des Lebens springen, und da weiß selbst die Zentrale keine Lösung, obwohl sie sonst über Raum und Zeit Bescheid weiß und mit der erhellenden Leuchtbirne anzeigt, dass sie Auskunft gibt.

Den Lebensmüden geht nur noch auf, dass sie nicht allein sind, und sie starten einen Aufruf: Lebensmüde, vereinigt euch! Die Resonanz ist überwältigend. Man braucht schon eine Sekretärin, um alle Korrespondenz zu sichten und zu ordnen, aber schließlich trifft sich ein ganzer Bus voller Selbstmordkandidaten, die sich am Ende der Welt gemeinsam von der Klippe stürzen wollen. Das wäre auch fast geschehen, wenn das Wasser nicht so kalt ausgesehen und nicht einer der Kandidaten eine Notbremsung vollzogen hätte.

Was ist geschehen? Nun – die einsamen Selbstmordkandidaten haben die Gemeinschaft nicht vertragen. Urlaubsstimmung war aufgekommen, neue Beziehungen hatten sich angebahnt und man hat es nicht mehr so eilig mit dem Tod, zumal die Zentrale schweigt. Der Bus wendet und nimmt die Fahrt auf quer durch Europa mit dem Ziel Schweiz. Dort soll der Massenselbstmord stattfinden, aber man bekommt Bescheid, dass das in der Schweiz verboten ist. Dieses Gesetz will die Busgesellschaft nicht akzeptieren. Schließlich ist man autonom cher Geschwindigkeit wech- sich die Geschichte und will frei – ja was – leben? Man hat plötzlich Pläne für die Zukunft. Und so wird der Massenselbstmord abgesagt, obwohl die Zentrale doch noch die Erlaubnis zum finalen Sprung erwirkt hat.

Wie bringt man solch eine verrückte Geschichte auf die Bühne? Zunächst einmal mit vollem Körpereinsatz der beiden Spielerinnen, die ihre Weiblichkeit betonen, aber auch den (finnischen) Mann präsentieren. Mit unglaublicher Geschwindigkeit wechseln sie die Rollen und die Ausdrucksmittel. Das geht vom Schauspiel über Hand- und Fingerpuppen bis in geschickte Projektionen über eine Web-Kamera. Der Mund steht nicht still, aber wie viele Stimmlagen zwei Damen produzieren, ist unglaublich. Man mag auch nicht glauben, wie klein etwa der Bus ins Verderben ist, und wie deutlich trotzdem die Fahrt zur Klippe des Lebens wird. Untermalt von treffender Musik entwickelt sich die Geschichte und nimmt den Zuschauer bis zum letzten Tanz gefangen.

Die Unsicherheit, ob soviel schwarzer Humor ein Lachen zulässt, schwebt im Raum, die Erleichterung über das „Happy End“ ist spürbar. Anlass zum tiefen Nachdenken bietet das Figurentheater dennoch.


Unternehmungslustige Selbstmordkandidaten

(SZ 21.10.2015, von Peter Chemnitz)

Görlitzer Puppenspieler gibt ein Gastspiel am Untermarkt. Aber nur für eine einzige Vorstellung.

Arto Paasilinna ist einer der populärsten Schriftsteller Finnlands. Der 73-Jährige wird häufig als „Meister des skurrilen Humors” bezeichnet und wurde für seine Bücher mit zahlreichen nationalen und internationalen Literaturpreisen ausgezeichnet. Insbesondere sein 1990 unter dem Titel „Hurmaava Joukkoitsemurha” erschienenes Buch „Der wunderbare Massenselbstmord” wurde auch nach seinem Erscheinen 2002 in Deutschland ein Bestseller.

„Denkst du an Selbstmord? Du bist nicht allein!” — So lautet ein ungewöhnlicher Anzeigentext, der auf überraschend heftiges Interesse stößt. Niemals hätte der gescheiterte Unternehmer Olli Rellonen mit der Existenz so vieler Gleichgesinnter gerechnet, als er beschloss, seinem Leben ein Ende zu setzen. Aus einem zunächst vagen Vorhaben entwickelt sich ein konkreter Plan: Ein Bus wird gechartert, um an einsamer Stelle gemeinschaftlich das Leben zu beenden. Am verabredeten Tag besteigen die unternehmungslustigen Selbstmordkandidaten schließlich guten Mutes das gemietete Gefährt — und starten ihre einzigartige Reise ohne Wiederkehr…

Nach diesem Buch hat nun die Görlitzer Puppenspielerin Anne Swoboda ein Figurentheater für Erwachsene konzipiert, eine „Lust am finalen Exitus”. Swoboda nutzt dabei die direkte Sprache des Autors, der trotz seines unverblümt-kräftigen, auch schwarzen Humors dennoch liebevoll auf seine Landsleute und ihre Eigenarten blickt. Paasilinna rührt dabei sowohl den Intellekt, als auch die Seele seiner Leser an — nicht zu vergessen deren Zwerchfell.

Logistisch scheine der Plot auf einer Bühne kaum umsetzbar, es sei denn, man „beherrscht die Mittel und Möglichkeiten des Puppentheaters nahezu im Schlaf und füllt den unlösbaren Rest mit purer Spielfreude aus”, lobt beispielsweise die Westdeutsche Zeitung: „Wie in den Filmen von Aki Kaurismäki ist Absurdistan auf Traurigkeit gebaut, und im Lachen liegt auch immer ein Wundern über die Seltsamkeit des Lebens.”

Seit zwei Jahren ist Swoboda erfolgreich mit ihrer Figurentheaterinszenierung für Erwachsene unterwegs in Deutschland. Ein kleiner Abstecher vom Festival in Cottbus mache es nun möglich, am Freitag, 19 Uhr, im Vino e Cultura auf dem Untermarkt in Görlitz aufzutreten, freut sie sich.


Melancholie ist der ärgste Feind

Premiere der Steinauer Puppenspieltage mit „Der wunderbare Massenselbstmord“

Der Bergwinkel-Wochenbote, 8.10.2015

Steinau (ps). Melancholie ist der ärgste Feind der Finnen. Die Krankheit zum Tode ist sogar noch schlimmer als die frühere Sowjetunion. Zumindest für Oberst Hermanni Kemppainen.

Er hat nicht nur sein Regiment verloren, sondern auch seine krebskranke Frau. „Sie hat so süß geschnarcht und hatte immer kalte Füße.“ Auch Unternehmer Onni Rellonen hofft auf den Gnadenschuss. Zwei Kinder, vier Konkurse: Saubere Wäsche war doch so ein erfolgsversprechendes Konzept, wenn nicht der Aufschwung den blöden Finnen eine eigene Waschmaschine beschert hätte.

Dass sich die beiden Suizid-Kandidaten in der gleichen Scheune irgendwo in der Nähe von Helsinki das Leben nehmen wollten, dafür war die literarische Vorlage des finnischen Erfolgsautors Arto Paasilinna verantwortlich.

Lust am finalen Exitus verspürten die Puppenspielerinnen Stella Jabben und Anne Swoboda beim Auftakt der 23. Steinauer Puppenspieltage am vergangenen Samstag dagegen nicht wirklich. Vielmehr auf Wodka und Sauna. Sie entwickelten eine hektische Betriebsamkeit, wenn es darum ging, ein Profil der Protagonisten zu erstellen. Rückblenden mit unerhörten Begebenheiten werden nachgezeichnet. Die „Zentrale da oben“ in Form einer blinkenden Glühbirne liefert die Fakten.

Die melancholische Kraft der Tragikomödie brachten die beiden Künstlerinnen der Theater 7schuh und Blaues Haus im Steinauer Rathauskeller skurril und leidenschaftlich rüber. Ein Schluck Wodka hat dabei ein wenig nachgeholfen.

Danach fand Anne Swoboda auf Freudschen Spuren wandelnd den Grund, warum eine Depression sich frei entfaltet. Erst Erschöpfung, dann Erlebnisunfähigkeit. Weiter geht es mit dem Abbruch des sozialen Lebens.

Dann wartet die bodenlose Traurigkeit, bevor eine unglaubliche Energie frei gelegt wird, dem eigenen Leben ein Ende zu bereiten. „Viel Erfolg, gutes Gelingen“, wünscht sie den Suizidenten, die sich zum kollektiven Freitod gefunden haben. Das klingt grotesk und makaber. Provokateur Paasilinna lässt grüßen.

Doch schon die kläglichen Versuche vom Oberst und dem arbeitslosen Unternehmer, sich das Leben zu nehmen, zeigen, dass Saunieren, Trinken, Philosophieren ein Stück leichter ist als Hand an sich legen. Im Kollektiv den Abgang machen, wollten gleich dutzende Finnen. Im modernen Reisebus über die Klippen am Nordkap segeln, wäre doch wie Wolke sieben.

Weit gefehlt: Nur mit dem Tode kann man spielen. Mit dem Leben nicht. So erzählen die Schauspielerinnen die Geschichte, wie sie wirklich passiert ist. Es siegt das Menschlich-Allzumenschliche. Da hat Autor Paasilinna den Freidenker Friedrich Nietzsche einfach in die komische Ecke gestellt. Denn eine Reise durch Europa kann Wunder bewirken. Aus dem Chaosreigen entsteht Lebenskraft. Ein Suizid ist nie lustig.

Die Brücke zum Tag der deutschen Einheit baute die künstlerische Leiterin Regina Wagner per Zuruf: „Anne Swoboda ist aus dem tiefsten Osten und Stella Jabben aus dem tiefsten Westen der Bundesrepublik.“

Und Vizebürgermeister Heinz Seipel freute sich auf zwei spannende Wochen bei den Puppenspieltagen mit Menschen und Tieren wie der Froschkönigin, der gestiefelten Katze, dem Raubschaf Rita, Prinzessin Glücklos, Prinz Hamlet und König Drosselbart.

Das komplette Programm finden Sie unter www.steinau.eu.


Einblick in die finnische Seele

Theater Siebenschuh zeigt anlässlich der Puppenspieltage „Der wunderbare Massenselbstmord“
GNZ, 7.10.2015

Steinau (buk). „Der Finne ist ein Held“, das jedenfalls behaupten die beiden Frontfrauen des Theaters Siebenschuh aus Görlitz, Stella Jabben und Anne Swoboda.

Beide eröffneten mit ihrer Interpretation des Romans „Der wunderbare Massenselbstmord“ des finnischen Autors Arto Paasilinna die diesjährigen Puppenspieltage in der Brüder-Grimm-Stadt Steinau. An diesem Abend zeigten sich Jabben und Swoboda als wahre Heldinnen des Puppentheaterspiels.

So muss wohl finnischer Tango sein, bei dem die beiden temporeich und in einer undefinierbaren Sprache singend über die Bühne fegten. Das muss wohl Finnisch gewesen sein, denn wie bei Adam und Eva entwickelte sich die tieftraurige Geschichte, mit der die beiden Komödiantinnen den ganzen Saal zum Lachen brachten, quasi seit Beginn der Besiedelung des Landes.

Zum geplanten Massenselbstmord kam es, als Unternehmer Rellonen, der sich gerade erschießen will, den Oberst Kemppainen vor dem Tod durch Erhängen rettet. Schnell beschließen die beiden Männer, all den Finnen, die sich alleine umbringen wollen, dabei zu helfen: „Denkst Du an Selbstmord? Du bist nicht allein!“, geben sie ein Inserat in der Zeitung auf und sind überrascht von der großen Resonanz. 1500 Finnen bringen sich jährlich um, wissen Kemppainen und Rellonen. Zusammen sei alles viel billiger und einfacher.

Im knallroten Bus eines ebenfalls lebensmüden Busunternehmers geht es ans Nordkap. Dort wollen alle gemeinsam über eine Klippe fahren, um zu ertrinken.

Doch wie könnte es anders sein, schon auf der kurzen Fahrt haben sich zarte Bindungen entwickelt, Freundschaften sind entstanden, und die Ersten wollen aussteigen, bevor der Bus abstürzen soll. Man beschließt, zusammenzubleiben und den Massenselbstmord in der Schweiz vorzunehmen.

Die Reisegesellschaft bleibt gemeinsam unterwegs und beginnt auf diese Weise, das Leben zu meistern, bis sie am Ende tieftraurig über den Unfalltod eines der ihren, selbst aber richtig lebensfroh geworden sind.

Wer den Roman zuvor gelesen hatte, den enttäuschten die beiden Miminnen nicht. Denn sie setzten die Handlung mit einem wahren Füllhorn an Ideen um. So nutzten sie unterschiedliche Zeitebenen anhand von Raum- und Zeitsprüngen ebenso vor wie zurück.

Notwendige Erklärungen ließen sie sich per Rohrpost, die jeweils scheppernd in einem Grill ankam, schicken. Sie agierten mit winzigen, fingerlangen Stabpuppen bis zu Handpuppen mit Charakterköpfen. Mittels Filmkamera erzeugten sie live Leinwandbilder vom Sonnenuntergang, hergestellt durch eine Schnapsflasche bis hin zum mit Selbermörder-Püppchen gefüllten Seminarraum.

Sowohl Stella Jabben als auch Anne Swoboda zeigten außerdem große Schauspielkunst in ausgefeiltem Mimenspiel, großen Gesten und einem vielfältigen Arsenal an Stimmen und Stimmungen.

So erfuhren die begeisterten Zuschauer hautnah und bildgewaltig, dass die finnische Seele neben bodenloser Traurigkeit auch zu mitreißendem Humor fähig ist.

Die Steinauer Puppenspieltage bieten täglich bis zum 14. Oktober unter dem diesjährigen Motto „Von Menschen und Tieren“ abwechslungsreiches Puppentheater der Extraklasse.


Puppenspieltage starten mit heftig umjubelter Inszenierung „Der wunderbare Massenselbstmord“

Von Hanswerner Kruse, Fuldaer Zeitung, 05.10.2015

Steinau – Mit der grotesken, vom Publikum heftig umjubelten Inszenierung „Der wunderbare Massenselbstmord“ begannen am Sonntag die 23. Steinauer Puppenspieltage.

Lesen Sie den Artikel bitte direkt auf fuldaerzeitung.de. Dort finden Sie auch ein Video zur Veranstaltung.


Im Grillwagen schlummert eine ganze Geschichte

von Thomas Wirth

Ansbacher Puppenspiele: „Der wunderbare Massenselbstmord“ nach dem Roman von Arto Paasilinna

ANSBACH – Oben, im Norden, umflackert vom Polarlicht, muss die Schwermut daheim sein, richtig schwere Schwermut, trübster Trübsinn, finsterste Gemütsverdunklung. So denkt man sich hierzulande, hält das dann aber eher für ein arges Nationalklischee. Arto Paasilinna belehrt einen eines Besseren: Es ist in Finnland noch schlimmer. Aber so schlimm dann auch wieder nicht. Paasilinna hat einen Roman darüber geschrieben. Eine Dramatisierung war am Samstag bei den Ansbacher Puppenspielen zu sehen: „Der wunderbare Massenselbstmord“.

Wenn Humor – in seinem eigentlichen Sinn – eine Haltung ist, sich mit dem Leben anzufreunden und seine Zumutungen auszuhalten, dann ist Arto Paasilinna tatsächlich ein „Meister des skurrilen Humors“. In seinem Roman lässt er lauter Lebensmüde zueinanderfinden, angeführt von einem ehemaligen Oberst und einem Bankrotteur. Ein Busunternehmer ist auch darunter. Mit dessen Luxusreisebus macht sich eine Schar von Todessehnsüchtigen auf den Weg zum Nordkap, um sich dort samt Bus von einer Klippe zu stürzen. Es kommt dann aber anders.

Stella Jabben vom Theater Blaues Haus aus Krefeld und Anne Swoboda von Theater 7schuh aus Görlitz haben den „Wunderbaren Massenselbstmord“ frei adaptiert. Sie schauen durch den schwarzen Humor von Arto Paasilinnas Geschichte hindurch und zeigen, dass sie von Dingen handelt, die das Leben schön machen: ein Lagerfeuer in einer Winternacht, ein Butterbrot dazu, der Gang in die Sauna, ein Haufen Gleichgesinnter, ein Ziel, Erfolge, die Liebe, ein großes Fest mit allem, was dazu gehört, also Essen, Trinken und Musik – solche Dinge helfen gegen die Angst und die Einsamkeit. Die Liste lässt sich verlängern.

Friederike Krahl hat mit Stella Jabben und Anne Swoboda für Erwachsene ein lebenspralles und anrührendes Stück voller Einfälle inszeniert. Im Mobiliar einer Mittsommernachtsfeier, dem Grillwagen und dem Grill dazu, schlummern die Utensilien für die Geschichte. Gewitzt wechseln sich die Darstellungsformen ab. Dieser Wechsel ist wichtig. Er setzt in die Geschichte, die ja vorhersehbar ist, Überraschungen wie bunte Tupfer hinein.

Stella Jabben und Anne Swoboda sind als schauspielende Erzählerinnen präsent. Fast scheinen sie mythologische Figuren, die auf einem Glastablett die Welt aus finnischer Sicht erstehen lassen. In Richtung einer herabhängenden Glühbirne sprechen sie mit der „Zentrale“, veranlassen Zeitsprünge und stellen so das Schicksal der unternehmenslustigen Selbstmörder nach. Die sind als Miniaturfiguren, die per Livekamera ins große Format projiziert werden, präsent. Oder haben als stattliche Handpuppen ihren Auftritt – Stella Jabben hat sie gebaut, bestürzend lebensnah sind sie: charakterstarke Inbilder einer existenziellen Traurigkeit – später wird diese expressive Kraft zum Problem; man sieht den Figuren nicht recht an, wie sich nach und nach ihre Stimmung aufhellt und der Lebensmut zurückkehrt. Aber vielleicht zeigen Finnen das einfach nicht so.


Blaues Haus: Die Lust am finalen Exitus

Von Christoph Elles, Westdeutsche Zeitung 4. März 2013

Das Hülser Theater wagt das Experiment und zeigt „Der wunderbare Massenselbstmord“ – gekonnt und mit wahrer Spielfreude.

Krefeld. Wie alle guten Satiriker hat der Finne Arto Paasilinna seine Landsleute durchschaut. Er weiß um die Schwermut, die sie im langen kalten Winter befällt und die sich im lichten Sommer als lustvolle Melancholie Bahn bricht, wenn der Finne eins wird mit der Natur, den Mücken und dem Schnaps. Das Grundgefühl lautet: Das Leben ist beschissen – wenn es nicht so unglaublich schön wäre.

Das Wechselspiel zwischen Theater und Puppentheater fasziniert

Paasilinnas Roman „Der wunderbare Massenselbstmord“, der jetzt im Theater Blaues Haus auf die Bühne kam, handelt von diesem Gefühl: Er erzählt von einer Gruppe depressiver Finnen, die sich gemeinsam umbringen möchten und dabei richtig Spaß bekommen. Sie verschieben den Exitus und reisen durch Europa. Logistisch scheint der Plot auf einer Bühne kaum umsetzbar, es sei denn, man beherrscht die Mittel und Möglichkeiten des Puppentheaters nahezu im Schlaf und füllt den unlösbaren Rest mit purer Spielfreude aus. Mit Regisseurin Friederike Krahl und dank finanzieller Förderung, unter anderem durch das Kulturbüro und die Kulturstiftung der Sparkasse, gehen Stella Jabben und Volker Schrills an die Grenzen ihres kleinen Theaters und darüber hinaus. Der Berliner Ewald Otto hat die Bühne mit Requisiten wie Grill und Servierwagen für eine Party hergerichtet. Entsprechend fröhlich erzählen Jabben und Anne Swoboda vom Partnertheater 7schuh als angetrunkene Finninnen die Rahmenhandlung, leider in einem wenig geglückten Akzent, der wie eine Mischung aus Bayerisch und Russisch klingt. Für den eigentlichen Plot liegen Puppen unterschiedlicher Größe bereit: Kleine Figuren, Spielzeugsoldaten ähnlich, werden an dünnen Stangen geführt und per Kamera auf eine Leinwand projiziert. Größere Handpuppen, liebevoll als schrullige Charaktere gestaltet, übernehmen längere Dialogszenen. Das Wechselspiel fasziniert, die Übergänge funktionieren ohne jede Verwirrung. In den kleinen Umbaupausen hält Peter Dirkmann mit seiner Musik die Atmosphäre fest.

Bei aller technischen Qualität hätte die Inszenierung leicht scheitern können, wenn sie Paasilinnas Buch als Farce begriffen hätte, als bloßes Skurrilitätenkabinett. Doch wie in den Filmen von Aki Kaurismäki ist Absurdistan auf Traurigkeit gebaut, und im Lachen liegt auch immer ein Wundern über die Seltsamkeit des Lebens. Als einer von Paasilinnas Selbstmördern sich erinnert, wie er als Siebenjähriger mit den Eltern in der Sauna war und selbst den Aufguss machen durfte, klingt das wie der Inbegriff von Glück und das Geheimnis neuen Lebensmuts: Selbst im kältesten Winter steht irgendwo ein Ofen, der dich wärmt. Alle weiteren Termine bis Mai sind bereits ausverkauft. Info unter Telefon 566 25 67.


Eine Provokation, mal über das Leben nachzudenken

Von Stephan Johnen, Aachener Zeitung 25.2.2013

Vossenack. Olli Rellonen ist wahrlich eine gescheiterte Existenz. Vier Mal ging der Geschäftsmann bereits in Konkurs. Nichts gelingt ihm. Als er beschließt, seiner Existenz ein Ende zu bereiten, scheitert selbst dieser letzte, verzweifelte Versuch, wieder Kontrolle über den Lauf seines Lebens zu erlangen.

Aufgeschreckt von Schreien aus dem Nachbarhaus setzt er den Revolver von der Schläfe ab und eilt zur Hilfe. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen kann: Mit seinem Eingreifen rettet er einem pensionierten Oberst, der sich gerade dilettantisch erhängen wollte, das Leben. „Was machen Sie denn da?“, ruft der eine Selbstmörder entsetzt dem anderen zu.

Es ist der Beginn einer echten Männerfreundschaft, die bald nur ein Ziel kennt: Mit möglichst vielen Gleichgesinnten dem Leben ein Ende zu bereiten – generalstabsmäßig geplant, mit Erfolgsgarantie. „Organisation ist alles“, sagt der Oberst, der so manche Schlacht gewonnen hat, aber vor dem Leben kapitulierte, als seine Frau den Krieg gegen den Krebs verlor.

Was Stella Jabben vom Theater „Blaues Haus“ Krefeld und Anne Swoboda vom Theater „Siebenschuh“ am Samstagabend auf die Bühne des Vossenacker Kloster-Kultur-Kellers brachten, war wahrlich ein Lehrstück über das Scheitern als positives Konzept. Eine Woche lang hatten die Puppenspielerinnen – unterstützt von Regisseurin Friederike Krahl – in Vossenack an ihrem neuen Stück gearbeitet. Die Premiere wird in Krefeld gefeiert, doch die Zuschauer in Vossenack kamen in den Genuss einer Vorpremiere.

Frei nach dem Roman des Finnen Arto Paasilinna inszenierte das Duo mit „Der wunderbare Massenselbstmord“ ein Stück über die Verlierer der Gesellschaft, die am Abgrund ihres Lebens stehen.

Per Zeitungsannonce wollen Olli Rellonen und der Oberst zunächst testen, wie groß das Interesse an einem „Selbstmordseminar“ ist. Die Resonanz ist überwältigend. Zum „Organisationsteam“ stoßen die alleinstehende Lehrerin Elsa, ein an Land gestrandeter Kapitän und ein Busreiseunternehmer, der „Kaffeefahrten satt hat“, hinzu.

Der Plan ist so simpel wie erfolgversprechend: Mit dem voll besetzten Reisebus will die morbide Gruppe von Helsinki zum Nordkap gurken, um dort samt Bus im wahrsten Sinne des Wortes abzutauchen. Alles einsteigen, es geht los.

„Der wunderbare Massenselbstmord“ ist dem Titel zum Trotz vielmehr eine Komödie, wenn auch eine beizeiten tragische. Skurrile Menschen treffen im Reisebus des Todes auf schrägen Humor. Während die illustre Reisegesellschaft sich zunächst nicht kennt und nur an das Ziel denkt, lernen sich die vermeintlichen Selbstmörder mit jedem Kilometer besser kennen – und schätzen. Ja, manche verlieben sich sogar ineinander.

Mit Rückblenden und vielen visuellen Tricks inszenieren Stella Jabben und Anne Swoboda eine Reise, in deren Verlauf das eigentliche Ziel immer weiter in die Ferne rückt. So werden die Hauptdarsteller, die Kilometer für Kilometer eine Wandlung durchlaufen, mit Handpuppen in Szene gerückt, während besonders zu Beginn in Szenen wie dem „Selbstmordseminar“ Modellfiguren per Videoprojektion auf der Leinwand agieren.

Klar, sämtliche Finnland-Klischees werden bedient, doch das ist das Verdienst des Autors Arto Paasilinna, der es in seinen Romanen versteht, die Gemütszustände seiner Landsleute zwischen beinahe schriller Ausgelassenheit und depressiver Weltenflucht zu skizzieren.

Stella Jabben und Anne Swoboda spielen geschickt mit diesen Klischees. Sie sorgen in dem einem Augenblick für Lacher und im nächsten dafür, dass dem Publikum das Lachen im Hals steckenbleibt. Mal überhitzt wie in der Sauna, mal unterkühlt wie der finnische Winter: Im Wechselbad der Gefühle entwickelt der melancholische Grundton des Stücks seine volle Kraft.

„Der wunderbare Massenselbstmord“ ist eine Provokation: Das Stück vermag es, den Zuschauer einmal über das Leben nachdenken zu lassen. Und wie es sich gehört, wird zum Schluss Tango getanzt. Finnischer Tango – in Moll. Man sollte es mit der Begeisterung ja nicht übertreiben.

Die nächsten 3 Termine:


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