Theater von Anfang an!

Vernetzung, Modelle, Methoden:
Impulse für das Feld frühkindlicher ästhetischer Bildung

Das Projekt „Theater von Anfang an! Vernetzung, Modelle, Methoden: Impulse für das Feld frühkindlicher ästhetischer Bildung“ versteht sich als ein Beitrag zur aktuellen bundesweiten Bildungsdebatte um Bildung in der frühen Kindheit. Es widmet sich Theaterformen für und mit Kindern im Alter bis zu fünf Jahren.

An vier Projektorten in der Republik haben jeweils drei Kooperationspartner aus den Feldern Theater, Erziehung und Forschung über einen Zeitraum von zwei Jahren (November 2006 – November 2008) modellhafte Projekte erarbeitet.

Im Projekt wurde Grundlagenforschung betrieben, neue Kooperationsfelder wurden initiiert und Erkenntnisse vor allem für Theatermacher/innen wie Erzieher/innen und Interessierte gewonnen.

Das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland koordinierte das Projekt, organisierte die Fachtagungen in Berlin, Mannheim und Hamm und vernetzte die Projektpartner. Abschließend wird das Zentrum Publikationen zum Projekt veröffentlichen. Eine Schlußpublikation wird die modellhaften Ergebnisse dokumentieren, eine weitere wird ein spielpraktisches Übungsbuch für Erzieherinnen und Theaterpädagogen sein – die Methode soll in weitere Felder und an Multiplikatoren weitergegeben werden.

Abschluss des Projektes und gleichzeitiger Ausblick war das Festival des Theaters für die Allerkleinsten vom 13.-16. November 2008 in Dresden.

Der Austausch von Wissen und Erfahrungen über den Kreis der Projektpartner hinaus wurde durch die assoziierte Partnerschaft möglich. Das Projekt befördert und befruchtet die Kommunikation in der Szene und darüber hinaus.

Hintergrund des Projektes

Bildungsdiskussion in Deutschland: Der veränderte Blick auf die frühe Kindheit

Hintergrund des Projektes ist die derzeitige Bildungsdiskussion in der Bundesrepublik um die Erziehung und Bildung in der frühen Kindheit. Die Sichtweise auf Kindheit hat sich in der Folge dieser Auseinandersetzung in den letzten Jahren grundlegend verändert. Kindheit wird als Teil des Lebens mit einem eigenen Wert angesehen. Kinder werden von Anfang an als Subjekte ernst genommen: Ab Geburt werden sie als vollwertige, kompetente, aktive und neugierige Menschen verstanden, die sowohl über perzeptive und kognitive wie auch über soziale Kompetenz verfügen. In der Folge dieses Diskussionsverlaufes in der Bundesrepublik ist nun auch die Forderung erhoben worden, Bildung müsse möglichst früh beginnen. Prof. Gerd E. Schäfer formulierte es folgendermaßen: „Bildung beginnt mit der Geburt“.

Das Desiderat:

Theater als fehlender Baustein in der ästhetischen Bildung.

1. Kindertageseinrichtungen: Die Bildungspläne der Bundesländer für die Einrichtungen

Alle Bundesländer erstellen Bildungsrichtlinien oder -pläne für ihre Kindergärten (für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren). Die Pläne der sechzehn Bundesländer sind sehr unterschiedlich und differieren manchmal so stark, dass sie kaum miteinander zu vergleichen sind. In meisten sind Musik, Sport und Umwelterziehung als konkrete Lernfelder zu finden; in kaum einem jedoch Theater. Theater wurde weitgehend nicht als Lernfeld in die Bildungspläne der Länder für die Betreuungseinrichtungen übernommen.

2. Entwicklung in der Ausbildung von Erzieher/innen: Die Situation in Deutschland

Die Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher findet in Deutschland bislang in Fachschulen für Sozialpädagogik statt und wird von Auszubildenden aufgesucht, die die mittlere Reife besitzen. Die OECD-Studie von 2004 zeigt auf, dass „weithin Einigkeit darüber [herrscht] dass die derzeitige Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern unangemessen ist, …“ Die derzeitige Debatte über Reformen in der Erzieherausbildung konzentriert sich vor allem auf das Niveau der Ausbildung. Trotzdem sieht der neue Rahmenplan für die Ausbildung von Erzieher/innen, den die Ständige Konferenz der Kultusminister im Jahr 2003 beschloss, keine nennenswerten Änderungen vor. Diese fehlenden grundlegenden Umgestaltungen betreffen auch die vernachlässigende Haltung gegenüber dem Theater als substantielles Mittel der ästhetischen Bildung. Theater als selbstverständlicher Ausbildungsgegenstand fehlt in der herkömmlichen Ausbildung; er findet keinen Eingang als eigenständiges Fach in den Ausbildungsplänen der Fachschulen. Potenziale, die Theater für Kinder im frühesten Alter darbieten könnte, können aufgrund der beschriebenen Gegebenheiten in den Betreuungseinrichtungen und dem derzeitigen Stand der Ausbildung nicht wahrgenommen werden.

Neue Entwicklungen im professionellen Kindertheater – ein Feld der Inspiration

Im professionellen Theater ist ein verstärktes Interesse an Theaterformen des Theaters für die Allerkleinsten zu beobachten. Erste Theatertreffen, die speziell dieses Thema aufgriffen, fanden bereits statt. Das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland widmete im Mai 2005 dem Theater für Kleinkinder im Rahmen des 8. Kinder- und Jugendtheatertreffens Augenblick mal! in Berlin ein international ausgerichtetes und als geschlossenen Arbeitskreis durchgeführtes Programm unter dem Titel „Theater von Anfang an!“.

Im September 2005 richtete das HELIOS Theater in Hamm das internationale Festival first steps aus. Beide Treffen beinhalteten einen Fachaustausch mit Experten aus dem europäischen Ausland wie Italien, Frankreich und Schweden. Auch in diesen Ländern ist das Theater für die Allerkleinsten eine noch recht junge Entwicklung, man verfügt hier jedoch über bereits umfangreiche Erfahrungen.

Im Theater für die Allerkleinsten und mit ihnen geht es nicht um die Darstellung von Rollen bzw. um das Spielen von Rollen gemäß eines bürgerlichen Verständnisses von Theater. Im Theater für die Allerkleinsten sind künstlerische Formen und Spielweisen bedeutend, die transparent sind: oft werden Spielvorgänge als gemacht dargestellt. In der Arbeit mit Kindern – und oft auch auf der Bühne – sind Formen der Wahrnehmung und wahrnehmende Tätigkeiten, Handlungsabläufe wie Fühlen, Riechen und Tasten zentral. Im Projekt „Theater von Anfang an!“ stehen solche Ansätze und Formen im Mittelpunkt.

Ziele des Projektes und seine Instrumente

Im Projekt stehen Theaterformen mit Kindern und für Kinder im Alter bis zu 5 Jahren zur Debatte. 
Herzstück des Projektes wird die Entwicklung von modellhaften Projekten an vier Standorten der Republik sein: Berlin, Mannheim, Hamm und Dresden.

An jedem Projektort werden drei Akteure (Erzieherinnen aus den Kindertagesstätten, Künstler sowie Theaterpädagogen aus dem Theater und Wissenschaftler aus den Hochschulen) in einem Zeitraum von zwei Jahren gemäß ihres eigenen ästhetischen wie Bildungsansatzes und ihrer strukturellen Möglichkeiten ein Projekt erarbeiten, das im Spannungsfeld von „Theater spielen und Theater sehen“ angesiedelt ist.

Sie werden von einem gemeinsamen Punkt aus beginnen: vom Wechselspiel „Theater sehen und Theater spielen“. Die Künstler und Theaterpädagogen werden in die Kindertageseinrichtungen gehen, mit den Kindern (Theater) spielen und für sie spielen. Die Kinder werden ins Theater kommen und künstlerische Darbietungen erleben. Die Theaterpädagogen und Künstler werden die Erfahrungen, die sie mit den Kindern gemacht haben, in ihre künstlerische und pädagogische Arbeit einbeziehen. Die Erzieherinnen wiederum werden ihre Erfahrungen in ihre pädagogische Arbeit mit den Kindern einfließen lassen. Die Schritte werden in enger Zusammenarbeit zwischen den Erzieherinnen der Einrichtungen, den Theaterleuten und den begleitenden Wissenschaftlern unternommen.

Welche Schrittabfolge, welchen pädagogischen Ansatz oder welchen thematischen Schwerpunkt das Kooperationsteam an dem jeweiligen Ort in diesem Prozess wählen wird, entscheidet es gemäß seiner pädagogischen, künstlerischen wie ästhetischen Vorstellungen. Der Forschungs- und Erkenntnisprozess wird durch verschiedene Beiträge von externen Fachleuten sowie zahlreichen Formen des gegenseitigen Austausches der Projektteilnehmer untereinander befördert. Die Teilnehmer der vier Projektorte treffen sich in größeren Abständen, regelmäßig zum Fachaustausch während des gesamten Projektzeitraumes.

Im Bereich der frühkindlichen Erziehung und Bildung muss im Allgemeinen noch Grundlagenforschung betrieben werden. Die wissenschaftliche Begleitung der einzelnen Projektorte dient vor allem der Dokumentation der pädagogischen Fragestellungen und des künstlerischen Materials, das im Verlauf des Projektes entstehen wird. Diese Sammlung stellt ein Novum in der deutschen Forschungs- und Wissenslandschaft dar. Durch die Auswahl von vier verschiedenen Lehreinrichtungen, die unterschiedliche Felder der Wissenschaft vertreten, kommen verschiedene mögliche Sichtweisen auf das Feld der frühkindlichen ästhetischen Bildung im Projekt zusammen – am Ende des Projektes werden sie einander gegenüber gestellt werden.

Weitergeben von Wissen und Erkenntnissen

Das Projekt wird einen Kompetenzzuwachs der Beteiligten aus den Bereichen Erziehung, Theater, Wissenschaft und des Kinder- und Jugendtheaterzentrums in der Bundesrepublik Deutschland erreichen. Die Beteiligten werden vor Ort wie überregional als Ansprechpartner und Multiplikatoren weiter wirken können. Es sind Weiterbildungsmöglichkeiten für Erzieherinnen während des Projektes vor Ort vorgesehen.

Die Projektbegleitende Veranstaltung in Hamm wird ihren Schwerpunkt auf das europäische Ausland legen und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Abschlussveranstaltung in Dresden wird der interessierten Öffentlichkeit geöffnet und Ergebnisse des Projektes öffentlich zeigen.

Die wissenschaftliche Begleitung dient vor allem der Projektdokumentation und damit der Weitergabe der Ergebnisse an Dritte. Das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland wird die Projektergebnisse in all seinen Nuancen – womit sowohl die Sicherung von bereits gewonnen wie auch die Erforschung von neuen Erkenntnissen und Formen gemeint ist – in Publikationen dokumentieren und damit deren Verbreitung sicherstellen. Eine Schlusspublikation wird die modellhaften Ergebnisse dokumentieren, eine weitere wird ein spielpraktisches Übungsbuch für Erzieherinnen und Theaterpädagogen sein – die Methode soll in weitere Felder und an Multiplikatoren weitergegeben werden.

Gabi dan Droste
Berlin, im November 2006

Literatur:

Droste, Gabi dan (2004). Theater öffnet Welten. In: Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Hg.). Kultur öffnet Welten. Remscheid 2004. S. 89–98 OECD (2004). Die Politik der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Länderbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Schäfer, Gerd E. (2003). Bildung beginnt mit der Geburt – Förderung von Bildungsprozessen in den ersten sechs Lebensjahren. Weinheim, Berlin, Basel

Zeitraum des Projektes:

  • Gesamtdauer des Projektes:
    Sept. 2006 – Sept. 2008
  • Auftaktveranstaltung in Berlin:
    23. – 24. Nov. 2006
  • Projektentwicklungen und –Durchführung vor Ort:
    März 2007 – Mai 2008
  • Interne Veranstaltung in Mannheim:
    14. u. 15. Juni 2007
  • Theaterpädagogik bei unseren Europäischen Nachbarn:
    Februar 2008
  • Öffentliche Veranstaltung in Hamm:
    15. – 17. November 2007
  • Öffentliche Abschlussveranstaltung in Dresden:
    November 2008

Förderer:

Das Projekt wird gefördert durch die Stiftung Jugendmarke.

Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland, Berliner Büro im: Theater an der Parkaue, Parkaue 29, 10367 Berlin

Projektpartner:

Theater

  • Theater 7Schuh, Berlin
    Freie Theatergruppe, bestehend aus zwei Mitgliedern in der Metropole mit wechselnden Spielorten.
  • HELIOS Theater, Hamm
    Freies Theater mit zehn ausschließlich freien Mitarbeitern in einem eigenen Haus in einer Region mit ländlicher Struktur.
  • SCHNAWWL, Mannheim
    Theater der Stadt Mannheim und des Landes Baden-Württemberg, eigenständige Sparte am „Nationaltheater Mannheim“ mit eigenem kleinem Ensemble und eigener Spielstätte.
  • Theater Junge Generation, Dresden
    Theater der Landeshauptstadt Sachsens mit einer Schauspiel- und einer Puppenspielsparte sowie vier festen Spielstätten und alternativen Spielorten der Stadt.

Assoziierte Partner

  • Melanie Florschütz und Michael Döhnert
  • Ania Michaelis
  • Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen
  • Junges Schauspielhaus Düsseldorf
  • Theater Mär
  • Spielraum Theater

Kindertageseinrichtungen

  • Berlin: Kinderladen „NIDO“, Kindertagesstätte „Pfiffikus“ von der EJF-Lazarus Gesellschaft
    In der Kindertagesstätte sind die meisten Kinder nicht-deutscher Herkunftssprache. Der Kinderladen „NIDO“ ist ausgerichtet auf den Reggio-Ansatz, der über eine Tradition des Umganges mit Mitteln des Theaters verfügt.
  • Dresden: „Eigenbetrieb Kindertageseinrichtung Dresden“
    Im dem Eigenbetrieb sind sowohl städtische Einrichtungen wie solche in freier Trägerschaft in Dresden vertreten.
  • Hamm: Kindertagesstätte „Spatzenest“
    In dem Kinderladen sind sowohl Kinder im Krippen- wie auch im Kindergartenalter.
  • Mannheim: „Kinderhaus Eichendorfstraße“
    In dieser Einrichtung sind Kinder aus der Kinderkrippe wie dem Kindergarten vertreten; die meisten Kinder haben Migrationshintergrund.

Universitäten / Fachhochschulen

  • Berlin: Fachhochschule Potsdam
    FB1 Sozialwesen – Bildung und Erziehung in der Kindheit – Ästhetische Praxis und Bildung, Dr. Kirsten Winderlich.
  • Hamm: Universität Hildesheim
    Studiengang Kulturwissenschaften und ästhetische Kommunikation, Institut für Medien- und Theaterwissenschaft, Prof. Dr. Geesche Wartemann.
  • Dresden: Technische Universität Dresden
    Fakultät Erziehungswissenschaften, Dr. Cornelia Wustmann.
  • Mannheim: Petra Marquardt
    Dipl. Erziehungswissenschaftlerin und Dipl. Sozialpädagogin/ Medienpädagogin.

Projektkoordination

Das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland versteht sich als Institution, das sowohl das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen wie auch das professionelle Theater für Kinder und Jugendliche vielfältig befördert, indem es dies begleitet, dokumentiert und neue Felder initiiert.

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